Tag 5

Geteiltes Frühstück = doppeltes Frühstück
Moin erst mal!
Am Brückentag ist es morgens erst mal schön ruhig im Hafen. Und frisch. Und beides ist gut so nach der Hitze gestern.
Wir haben alle drei wohl geruht und Jette hat auf ihrer Lieblingswiese zwei Bilderbuch-Kacker abgesetzt. Diese Wiese ist ein Phänomen: Sie war mal ein altes Hafenbecken, wurde zugeschüttet und mit Rasen bepflanzt. Den ganzen Tag trifft man dort Hund und ihre Besitzer. Und trotzdem nicht ein einziger Hundehaufen auf der ganzen Wiese! Ringsum drei oder vier Mülleimer und Kotbeutelspender (tolles Wort, oder?). Und einsichtige Hundehalter. Viel mehr als einmal über diese Wiese und wieder zurück will und kann Jette auch nicht mehr. An Bord fühlt sie sich am wohlsten und bei Hitze findet sie vorn unter den Kojen noch einen halbwegs kühlen Platz.
Wann geht's weiter?
Ausschleusen geht stündlich, wir wählen 13 Uhr. Da läuft's schon eine Stunde auf und wir haben schon den vollen Strom mit uns. Und wir wollen ja auch nur bis Rechtenfleth. Kurz entschlossen. Warum Rechtenfleth und wo liegt das eigentlich? Fangen wir hinten an mit den Antworten: Rechtenfleth liegt - von Brhv kommend - kurz vor Sandstedt am rechten Weserufer. Der letzte der alten und ursprünglich sehr vielen Sielhäfen an der Unterweser. Ohne Infrastruktur drumrum, nur ein paar Liegeplätze im Schlick und eine interessante Einfahrt, direkt an einer Buhne entlang.
Aber es gibt für uns dort zwei Vorteile, eigentlich drei:
Erstens waren wir da noch nie. Liegt irgendwie auf halber Strecke und meist will man weiter.
Zweitens gibt es dort Liegemöglichkeiten wie an der Ostsee: vorn ein Steg, hinten zwei Pfähle. Und keine Fingerstege, auf die man seitwärts aussteigen könnte. Mit unserem Bugspriet ist schlecht von Bord kommen, wenn der Bug zu Steg liegt. Mehr was für Turner in jungen Jahren. Deshalb werde ich das Rückwärts-Anlegen dort üben. Man nennt es auch "Römisch-Katholisch-Anlegen". Das ist etwas übungbedürftig mit so einer treibenden Kiste aus 5 Tonnen Stahl wie unserer "Drallen Deern". Aber Schwerter runter und hoffentlich kein Seitenwind - dann soll das wohl gehen. Und da dort keine anderen Besucher liegen bleibt uns das legendäre "Hafenkino" erspart: Einer fährt wilde Manöver und alle anderen sitzen beim Kaffee und schauen begeistert zu!
Drittens fällt man dort zwar trocken, aber nicht so hoch wie im Absersiel. Sprich: Wir sind bei auflaufendem Wasser schneller wieder auf der Weser und bekommen keinen Stress mit dem abendlichen Hochwasser übermorgen in Grohn.
So ist der Plan. Wir werden heute zu späterer Zeit berichten, was daraus geworden ist.
PS:
Unsere Mitsegler auf der "Marlies" sind eine Meile vor Neuwerk heute früh stecken geblieben im Neuwerker Priel. Weil sie schlechtes Wetter fürchten, werden sie aber mit der nächsten Flut zurück in ihren Heimathafen Spieka-Neufeld segeln. Ihnen noch gute Heimfahrt!

Unter Vollzeug weseraufwärts Richtung Rechtenfleth
2. Teil Logbuch
Der Wassersport steckt, wie das Leben insgesamt, ständig voller Überraschungen! So hätte es heute gut sein können, dass wir in der Schleuse Neuer Hafen hätten übernachten müssen. Denn als wir drin waren ging das Tor zur Weser nicht mehr auf! Es brauchte gut zwanzig Minuten und mehrere Versuche des Schleusers mit "Schranke auf/Schranke zu", bis die Logik der Torsteuerung irgendwann nachgab und das Tor öffnete.
Schöner Wind aus Nord mit Stärke Bft 4 umfing uns schon im Schleusenvorhafen. Also Segel hoch und dann knackig gesegelt, mit einer Spitzengeschwindigkeit von gut 8 kn über Grund! Zügig ging es bis Rechtenfleth, wo wir noch nie angelegt hatten. Vorher die Segel bergen und dann mit Diesel und viel Speed gleich hinter der Buhne eingesteuert - mit reichlich Drift durch die Flut. Aber es klappte und sehr tief war es hier auch schon.
Wir liegen hier nun wunderschön mitten in der Natur und mit Blick auf die Weser! Kein Mensch sonst hier und nur ein paar Boote bisher auf ihren Liegeplätzen. Weil der WVRechtenfleth auch dem Freihafen-Abkommen angehört, kostet es uns auch keine Liegegebühr. Strom und Wasser sind auch da sowie ein quadratisch-gutes Container-Klo mit Waschgelegenheit. Alles top sauber und adrett! Schlüssel liegt im Schrank für Gastlieger. Nur Jette musste ich den ganzen Steg bis zum Ausgang tragen, weil hier die Stege mit Metallgeflecht belegt sind, wo kein Hund drauf gehen kann - und mag. Aber das ist ja nicht so oft. Hier mal ein paar Impressionen:
Richtig schön hier...
...vor allem, weil jetzt wieder die Sonne rausgekommen ist. Vorhin, nach der Schleuse, hatten wir ziemlich grottiges Wetter. Man hatte keine Fernsicht und alles zog sich irgendwie zu. War uns aber egal, weil wir nicht mehr weit draußen im Watt waren.
Noch ein paar schöne Rechtenfleth-Aussichten zum Schluss, und dann wollen wir Pellkartoffeln kochen und eingelegte Matjes dazu speisen. Die Linseneintopfdosen haben wir nämlich fast alle schon geleert. Waren auch lecker. Und hier ist ja nichts hinterm Deich, keine Kneipe, kein Laden, kein Sonstwas. Aber immerhin das Museums-Haus des Marschendichters Hermann Allmers. Besichtigung lohnt sich. Morgen soll ähnlicher Wind sein wie heute und das bedeutet, dass wir mit raumer Brise Richtung Heimat segeln können. Wunderbar...
