Tag 6
Langsamer Abschied
Mir scheint, zwei langsame Abschiede stehen unmittelbar bevor.
Der erste ist der geplante von dem wunderbar stillen Sielhafen Rechtenfleth. So eine ruhige Nacht hatten wir noch nie. Wenn überhaupt Geräusche, dann reine Natur. Keine Bewegung im Schiff, nicht einmal das Trockenfallen und Aufschwimmen haben wir bemerkt. Gegen 1400h werden wir dann weiterziehen können auf die letzte Etappe unseres Törns.
Der zweite langsame Abschied deutet sich auch an: Bordhund Jette wird immer ruhiger und stiller, sucht immer mehr meine Nähe, will kaum noch laufen und vermittelt mitunter den Eindruck, ihr kleiner Geist habe sich schon zu großen Teilen verabschiedet. Heute Nacht lag sie unter uns im Körbchen, ich hatte sie wegen der Kühle an Bord noch mit meinem Pullover zugedeckt. Und genauso lag sie bei meinem Erwachen immer noch. Lange musste ich schauen, ob es noch Bewegung unter dem Pullover gab. Sie schlief fest und lang, aber kam zurück in den neuen Tag.
Hier muss ich Jette eine lange Strecke über den seltsamen Steg tragen. Sie macht das ohne Zappeln wie sonst und mit einer fast getröstet-finalen Gelassenheit, bis ich sie an Land wieder auf den Boden setze. Dann trottet sie bis zum nächsten Gras und macht ihre Geschäfte, die aber prima und von bester Konsistenz. Wir laufen noch ein paar Schritte weiter, ich vor allem, sie bleibt zurück. Dann schaut sie mir hinterher, bis ich mich umdrehe, und sie scheint zu sagen: "Alter, bitte nicht mehr weiter, wozu noch...?" Und wenn ich mich umdrehe trottet sie etwas schneller wieder zurück. Vielleicht ist Jette jetzt wirklich auf der Zielgeraden ihres Lebens angekommen und vielleicht wird es ihr (und uns) ja geschenkt, dass sie morgens in ihrem Körbchen nicht mehr aufwacht. Das zweite Foto zeigt sie nach dem Morgengassi, wie sie still und stumm einfach so da war. Mal saß sie, mal lag sie. Und wie die Morgensonne ihre ersten Strahlen über uns und über ihr ausgoss. Ein Zeichen...? Ich bin zutiefst dankbar, kämpfe aber manchmal auch mit den Tränen. Wer Hunde hat(te), weiß das vermutlich nachzuvollziehen...
Hommage an Rechtenfleth
Rechtenfleth- wo liegt das eigentlich?! Nun, dicht bei Sandstedt, etwas mehr weserabwärts. Inmitten der Strecke der Unterweser zwischen Brake und Nordenham, auf der man besonders gut segeln kann. 50 Jahre und länger bin ich an diesem Hafen vorbei gesegelt. Sicher auch deshalb, weil mir die Einfahrt dicht an der umströmten Buhne immer etwas suspekt war. Zu Unrecht, weiß ich heute. Und zweitens wohl auch, weil ich den Hafen für ein hoch trockenfallendes Schlickloch hielt - ähnlich wie Absersiel. Schlickloch stimmt, aber eben nicht hoch trockenfallend. Man kommt hier wesentlich später rein und früher raus als im Absersiel. Und das ist manchmal von Vorteil. Zum Beispiel, wenn man noch bis Ritterhude in einem Schlag durch will und spät abends erst dort Hochwasser ist. Das klappt von Absen aus nicht, mit Hängen und Würgen bis Grohn. Heute wollen wir mal den kompletten Heim-Ritt wagen bis Ritterhude. Peter von der Schleuse übernachtet heute auf seinem Boot und ist bereit, uns auch nach dem offiziellen Schleusen-Ende (1900h) noch durchzuschleusen. Das ist doch ein Wort. Mal abwarten, wann wir dann in Ritterhude aufschlagen werden heute Abend.
Ansonsten ist dies ein Hafen zum Entspannen, mal ein Buch lesen, mal Spazieren gehen, mal einen müden Hund begleiten, dessen Tage weniger werden. Und nette Leute gibt es hier zudem, auch Segler. Viel geklönt mit denen und Erfahrungen ausgetauscht. Auch das gehört für mich unbedingt dazu. Der Toilettencontainer oben ist klein, aber sauber und mit ordentlicher Waschgelegenheit versehen. Sonst ist hier nichts und niemand - weit und breit. Wunderbar... als Ablwechslung zur ImJaich-Marina Bremerhaven. Ein paar Fotos in Diaschau folgen:
Ankunft daheim
Auf den Punkt gebracht: Alles lief wie am Schnürchen für die letzte Etappe!
Es begann damit, dass wir in Rechtenfleth schon eine Stunde nach NW auslaufen konnten! Viel früher als erwartet. Leider war kein Wind, jedenfalls kein ausreichender und so sind wir mit Motor heimgefahren. Noch kurz in Grohn gestoppt, damit Werner seine praktische Kiste (weil keine Klappkiste nur eben auf Booten keine praktische Kiste!) wieder aus der Abstellhütte des VWV holen konnte. Dann weiter auf Lesum und Hamme, immer noch bei bestem Wetter. Auch das Schleusen und Anlegen lief wie am Schnürchen. Mast, den wir unterwegs während der Fahrt gelegt hatten, wurde wieder gestellt und alles ausgeladen. Zuhause übermannte mich (und vor allem Jette) die Müdigkeit und ich tippe diese Zeilen erst nach kurzer "Besinnungspause".
Apropos Jette: Ich bin so froh, dass ihre schlechte Tagesform von heute früh sich im Laufe des Tages wieder stark verbessert hat. Mental scheint sie immer noch ein wenig verwirrt zu sein, gewöhnt sich aber auch wieder ans feste Zuhause. Da ist erst einmal viel Schlaf angesagt. Hoffen wir das Beste für sie und für uns. Mit alten Hunden ist es wie mit alten Menschen: es gibt die sogenannte "Tagesform", ein ständiges Auf und Ab von Einschränkungen und Möglichkeiten. Nicht schön, aber wohl unausweichlich. Und es ist gut, wenn man sich beizeiten damit abfindet und den eigenen optimalen Weg unter den neuen Bedingungen sucht und findet. Irgendwas geht doch immer noch, oder?
Fazit der Tour auf der nächsten Seite dann!
